Auf dem Weg zur Kulturregion
„So etwas hat es in der Kulturgeschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben: Erstmals präsentieren drei Bundesländer gemeinsam eine große historische Ausstellung“.
Prof. Dr. Alfried Wieczorek ist die Vorfreude anzumerken, wenn er von seinem neuesten Projekt spricht. Dem Vorstandsvorsitzenden der Curt-Engelhorn-Stiftung, der als leitender Direktor die Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim führt, ist es gelungen, eine Allianz aus den drei an der Metropolregion beteiligten Ländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen zu schmieden, um in einer großen Geschichtsschau das bedeutendste Herrschergeschlecht des Mittelalters, die Dynastie der Staufer, zu würdigen. Vom 19. September 2010 bis 20. Februar 2011 zeigt Wieczorek in Mannheim die Ausstellung „Die Staufer und Italien“ und stellt dabei berühmte Herrscher wie Friedrich Barbarossa, Heinrich VI. oder Friedrich II. vor, die im 12. und 13. Jahrhundert das Reich nördlich und südlich der Alpen regierten. Unterstützung erhielt er bei diesem Projekt von den obersten Regenten der heutigen Politik. Die Ministerpräsidenten Kurt Beck, Günther Oettinger und Roland Koch ließen sich Prof. Dr. Alfried Wieczorek, rasch von seiner Idee begeistern und fanden partei- und länderübergreifend zusammen, um das außergewöhnliche Vorhaben mit ihrer Schirmherrschaft zu adeln.
Dabei ist die Staufer-Schau mehr als eine Kulturveranstaltung für Geschichtsinteressierte, Schulklassen und Bildungsreisende. Große Ausstellungen, wie sie in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim gezeigt werden, haben sich inzwischen zu kulturell und touristisch hoch relevanten Ereignissen entwickelt, die für die Stadt und die Region nicht nur einen enormen Imagegewinn bedeuten, sondern auch messbare wirtschaftliche Effekte erzielen. Denn wer extra anreist, um für zwei oder drei Stunden im Museum ein naturwissenschaftliches Phänomen kennenzulernen, in eine vergangene Epoche einzutauchen oder sich an der Pracht einer mittelalterlichen Herrscherdynastie zu berauschen, möchte im Anschluss das Gesehene im Café oder Restaurant reflektieren, sucht in den Geschäften nach Mitbringseln für die Daheimgebliebenen oder entscheidet sich für eine Hotelübernachtung, um weitere Freizeitangebote wahrzunehmen. So sorgen gut besuchte Ausstellungen immer auch für Belebung bei Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie. Im Schnitt gibt jeder Ausstellungsbesucher 50 Euro in der Stadt aus. Zu Ausstellungen wie „Die Franken. Wegbereiter Europas“, die Wieczorek bereits 1996 zeigte, oder jüngst „Mumien. Der Traum vom ewigen Leben“, machten sich Hunderttausende auf den Weg in die Mannheimer Quadrate und lernten, angezogen von der Großausstellung, nebenbei auch die Stadt und die Region kennen und lieben. erklärt Alfried Wieczorek. Deswegen bezieht er die Region in sein Kulturkonzept direkt ein. Besonders deutlich wird dies bei den Vorbereitungen für 2010 zur Stauferausstellung.
Denn neben der Ausstellung in Mannheim werden historische Orte und Stätten in der Metropolregion und deren Umkreis zum Besuch empfohlen. Wer nach Mannheim zur Hauptausstellung kommt, soll auch gleich Worms, Speyer, Heidelberg, das Kloster Lorsch oder die Reichsburg Trifels bei Annweiler kennenlernen. 23 Orte und Stätten sind es inzwischen, die so mit den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim zusammenarbeiten und gemeinsam einen Festkalender für das Stauferjahr 2010 entwickeln. Namhafte Institutionen wie die Universität Heidelberg, die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz und die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten in Hessen unterstützen des Projekt und kooperieren mit der Curt-Engelhorn-Stiftung, bei der die Fäden zusammenlaufen. „Diese Reichweite einer kulturhistorischen Ausstellung ist bundesweit etwas ganz Außergewöhnliches und ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu unserem Ziel, die Kulturregion Rhein-Neckar zu entwickeln“, sagt der visionäre Museumschef, dem noch viel mehr vorschwebt. „Die Stauferschau ist der Auftakt zu einer Trilogie von Ausstellungen, die die Region in die Konzeption einbeziehen. „Es ist in etwa wie bei der Star Wars-Reihe: Nach dem ersten Teil waren schon alle Zuschauer neugierig auf die Fortsetzung, ab dem zweiten Film hatte das Ganze Kultcharakter und jeder musste hin. Seit dem dritten Teil gibt es fast Niemanden mehr, der die Geschichten um Prinzessin Laia, Han Solo und Luke Skywalker nicht kennt“, meint Wieczorek augenzwinkernd. Genauso soll es der Kulturregion Rhein-Neckar ergehen. Nach den Staufern wird die ‚Zeit des Barock‘ präsentiert, anschließend das Jubiläum ‚800 Jahre Wittelsbacher in der Pfalz‘ mit einer großen Geschichtsschau gewürdigt.
Der nachhaltige Ansatz dieses Kulturkonzepts für die Metropolregion Rhein-Neckar überzeugt auch Sponsoren und Förderer. Im Falle der großen Staufer-Schau sind es unter anderem die Landesstiftung Baden-Württemberg und die Klaus Tschira Stiftung, die das Projekt unterstützen – ein Finanzierungszuschuss, den die Curt-Engelhorn-Stiftung gut gebrauchen kann. Denn anders als in anderen Städten ist der gesamte Forschungs- und Ausstellungsbetrieb an den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim vollständig von Drittmitteln getragen und obliegt der Curt-Engelhorn-Stiftung. Die von Curt Engelhorn 2001 eingerichtete und nach ihm benannte Stiftung schuf eine in der deutschen Museumslandschaft einmalige Konstellation, auf deren Grundlage Alfried Wieczorek den größten süddeutschen Museumskomplex in kommunaler Trägerschaft errichten konnte. Zu den von ihm geleiteten Häusern gehören mittlerweile das Museum Zeughaus, das Museum Weltkulturen, das Museum Schillerhaus, ZEPHYR – Raum für Fotografie, das Zentrum für internationale Kunst- und Kulturgeschichte und das Zentrum Archäometrie – An-Institut der Universität Tübingen. In Kürze kommen mit dem Klaus-Tschira-Labor für physikalische Altersbestimmung und dem Museum Bassermannhaus für Musik und Kunst zwei weitere Hochkaräter hinzu. Auch diese werden dann die Attraktivität der Metropolregion weiter steigern und zum Aufbau der Kulturregion beitragen.