Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Nawroth Direktor Innere Medizin I und klinische Chemie
La vie est belle –das Leben ist schön!
Claus Beckenbach im Gespräch mit Professor Dr. Peter Nawroth
Mit großzügiger Unterstützung von Dietmar Hopp und seiner Stiftung hat Professor Dr. Peter Nawroth mit seinen Mitarbeitern eine großangelegte wissenschaftliche Studie erarbeitet, die, um es gleich vorweg zu sagen, internationale Beachtung gefunden hat. In allen namhaften und weltweit bekannten medizinischen Publikationen wurden die Ergebnisse veröffentlicht. Eine Studie in dieser Komplexität gab es bislang noch nicht.
Claus Beckenbach: Natürlich möchten wir alle ein schönes Leben führen und ich kenne Menschen, die das auch tun. Verbunden mit einem schönen Leben ist für viele Reichtum und Geld, vielleicht auch Glück, Liebe und Unterhaltung. Nur: Was nützt das alles, wenn es mit der Gesundheit hapert? Dann nämlich kann das Leben unter Umständen mehr als grausam sein – alles Geld der Welt nützt dann möglicherweise überhaupt nichts. Man hätte so viel für seine Gesundheit tun können; wenn man gewusst hätte, wenn man nur annähernd daran gedacht hätte… Prävention ist schon die halbe Heilung – viele Menschen wissen nicht, dass man präventiv enorm viel für sich und seine Gesundheit tun kann.
Professor Nawroth: Gerade hier irren Sie, denn wir sind überhaupt nicht so selbstbestimmt, wie uns dies mancher Arzt, aber vor allen Dingen auch Pressemitteilungen, leider vermitteln. Eine kürzlich erschienene Untersuchung rechnete hoch, dass für den Fall, dass alle Deutschen aktiv Sport treiben würden, und Sport tatsächlich bei all denen, die es machen, nützlich wäre, unser mittleres Überleben um ca. fünf Monate verlängert werden würde. Sie sehen, natürlich, man kann etwas tun, aber angesichts einer mittleren Überlebensrate von fast 80 Jahren sind die fünf Monate nicht so signifikant, wie uns glaubhaft gemacht wurde. Dies bedeutet zum einen, dass eben Krankheit nicht Schuld ist, und auch nicht selbst verschuldet ist, wenn der Anteil dessen, das man selbst gestalten kann, so gering ist. Das bedeutet aber zum anderen, dass der kleine Korridor, den wir schon selber in der Hand haben, der kleine Korridor, an dem wir nicht fremdbestimmt sind, gut genutzt werden muss und erforscht werden muss. Wir bedanken uns bei der Hopp-Stiftung und insbesondere dem Stifter selber, der mit einem großen Engagement es uns ermöglichte, Untersuchungen durchzuführen, die nicht nur altersbedingte Krankheiten beschreiben, sondern auch helfen, den Korridor zu definieren, den wir selber bestimmen können, und des weiteren zu erkennen, wie Menschen auch durch ihr Umfeld und durch das Erleben ihres Umfeldes geprägt sind.
Claus Beckenbach: „La vie est belle – das Leben ist schön“ – meinen Sie, dass diejenigen, die es sich im Leben gut gehen lassen, ein „gutes“ Leben führen, auf Grund Ihrer Forschungsdaten auch die sind, die am längsten leben?
Professor Nawroth: So einfach meine ich das nicht, aber wir konnten mit Hilfe der Stiftung zeigen, dass Diabetiker, die schon Spätschäden haben, dann eine bessere Entwicklung sowohl des Blutdrucks, als auch der Nierenveränderungen und auch der Gefäßveränderungen haben, wenn sie im Rahmen einer psychosomatischen Intervention es lernen, mit psychischem Stress besser umzugehen. Dank der Zusammenarbeit mit der Abteilung von Professor Herzog hat hier die Hopp-Stiftung nicht nur die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachdisziplinen gefördert, sondern auch uns Ärzten etwas an die Hand gegeben, mit dem wir konkret in einer nicht medikamentösen Art mit Krankheiten intervenieren können. Dies passt auch sehr gut zu den sogenannten Inter-Heart-Studie, die zeigte, dass die Effektstärke von psychischem Stress ca. 9-fach stärker ist in Bezug auf tödliche Herz-Kreislauferkrankungen, als z.B. gesunde Ernährung und Sport einerseits, oder auch 9-fach stärker ist als „ungesunde“ Ernährung und Adipositas.
Claus Beckenbach: Sie sagen also, dass Übergewicht nicht so wichtig ist?
Professor Nawroth: Man darf nicht verallgemeinern, aber Daten zeigen jetzt, dass gerade bei älteren Menschen das berühmte „Pfündchen zuviel“ nicht schädlich ist, und dass wir deswegen denken, dass die klassische Definition der Adipositas altersspezifisch verändert werden muss, d.h. gerade bei älteren Menschen etwas mehr Gewicht keineswegs schädlich ist.
Claus Beckenbach: Erklären Sie sich damit, dass Menschen, die mehr wiegen, im Alter weniger osteoporotisch bedingte Schenkelhalsfrakturen haben?
Professor Nawroth: Dank der Hopp-Studie gelang es uns, ein neues Verfahren zur Behandlung von Wirbelkörperbrüchen weiter zu erforschen und weiter zu entwickeln. Es kann tatsächlich gezeigt werden, dass ältere Menschen vor Osteoporose geschützt sind, wenn sie mehr wiegen, aber auch dass die Fettschicht vor Brüchen schützt. Gerade die von uns durchgeführte Studie belegte, dass der Schmerz nach Wirbelkörperfrakturen langfristig besser wird, wenn man Wirbelkörper mit einem Gips wieder auffüllt und in ihre natürliche Form zurückbringt. Hier wird ein großer Unterschied aber auch zwischen den üblichen Förderungsmöglichkeiten der Forschung und der Forschungsförderung durch die Hopp-Stiftung sehr deutlich.
Claus Beckenbach: Schmerz ist eines der großen Themen unserer Gesellschaft, insbesondere auch bei älteren Menschen, was haben Sie entdeckt?
Professor Nawroth: Wir entdeckten, dass bei älteren Diabetikern eine Substanz im Körper entsteht, die den Namen Methylglyoxal trägt. Bisher dachte man, dass der Blutzucker so wichtig wäre, aber passend zu dem eingangs Gesagten, dass nämlich der Korridor dessen, was wir selbst bewirken können, bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes nur sehr gering ist, haben die Ergebnisse der letzten Jahre gezeigt, dass Blutzuckereinstellung zwar hilfreich ist, aber lange nicht so erfolgreich ist, wie wir dachten. Wir können nun zeigen, dass nachdem der Zucker einmal erhöht war, auch wenn er dann wieder niedriger ist, diese Substanz Methylglyoxal vermehrt vorkommt. Diejenigen Diabetiker, die dann einen Methylglyoxalspiegel oberhalb eines Schwellenwertes haben, leiden unter Schmerzen. Wir konnten diese Entwicklung dank der Hopp-Stiftung nicht nur eben auf dem Stadium des Beschreibens und Verstehens stehen lassen, sondern dank der Langfristigkeit dieser Stiftung konnten wir jetzt erste therapeutische Ansätze entwickeln, wir konnten eine Eiweißstruktur entwickeln und auch patentieren, die jetzt in Mäusen den Effekt dieser Substanz aufhebt. Hier ist natürlich jetzt die große Frage, wie wir, nachdem diese Eiweißstruktur durch die Universität auch patentiert wurde, jetzt an Venture Capital kommen, um diese Entdeckung, die wir für ungemein spannend halten, und die das Thema der Schmerzforschung um ein völlig neues Konzept bereichert und die frühen Entwicklungen so weit zu bringen, dass sich später auch mal eine Pharmafirma dafür interessieren würde…
Das umfangreiche und vollständige Interview dieser Kurzfassung können Sie im neuen TOP-Magazin lesen.