Welch Klang liegt in diesem Wort, welcher Zauber in den Legenden, die sich um sie ranken: Die Karibik. Die Inseln unter und über dem Wind, oder auch die kleinen Antillen, sind die Traumziele europäischer Urlauber. Doch nicht nur heute zieht es die Europäer an den Inselgürtel zwischen Nord- und Südamerika. Schon 1492 setzte hier Christoph Columbus als erster Spanier seinen Fuß auf die heutige Dominikanische Republik, die er Hispaniola taufte. Irrtümlich glaubte er sich in Indien… Er benannte nicht nur diese Insel, sondern auch Antigua, Dominica (weil er dort an einem Sonntag vorbei fuhr) und viele andere der kleinen Inseln, auch wenn er oft gar nicht an Land ging.
So wie sich heute die Touristen in den All-Inclusive-Hotels um die Strand- und Poolliegen streiten, stritten sich vor Jahrhunderten die europäischen Großmächte England, Frankreich, Spanien und die Niederlande um die Inseln, die teils mehr und teils weniger lukrativ erschienen. War eine Insel reich an Flora und Fauna, die sich gut vermarkten ließ, oder als strategisch wichtiger Knotenpunkt nutzbar war, wurden gerne auch Mal kleine Kriege um sie ausgefochten. Die friedliebenden Arawak- und Taino-Indianer, die als erste Siedler bereits vor Columbus von den kriegerischen und sogar kaniablistischen Kariben vertrieben wurden, mussten also nur vereinzelt miterleben, wie die europäischen Invasoren ihre Dörfer zerstörten und die stärksten Männer und jüngsten Frauen als Sklaven hielten oder verschleppten. In Grenada sprangen 1651 sogar hunderte von Einheimischen kollektiv von einem Felsen in den Tod, um der Versklavung durch die Franzosen zu entgehen.
In La Romana, in der Dominikanischen Republik, gehen wir an Bord der „Mein Schiff 2“. Ein 15 Jahre altes Schiff aus der Celebrity-Flotte, einst Mercury getauft, glanz- und geschmackvoll für 50 Mio. Euro umgebaut und im feinsten Stil eines edlen Kreuzers modernster Provenienz gestaltet, ist das TUI-Flaggschiff unser fantastisches schwimmendes Hotel für eine Kreuzfahrt zu den Highlights der Süd-Karibik.
Wir beginnen unsere Rundreise auf Antigua (von Columbus nach einer wundertätigen Marienstatue in Sevilla, der Santa Maria de la Antigua, benannt). Auch diese strategisch interessante Insel hat eine bewegte Vergangenheit. Letzten Endes behielten die Briten die Oberhand und installierten gut befestigte Forts, die für Feinde und Piraten uneinnehmbar waren. Vom Aussichtspunkt Clarence House hat man einen herrlichen Blick über St. John, wo sich heute die Reichen der Welt ein Stelldichein geben. Noble Villen präsentieren sich hier neben einfachen Hütten der Antiguaner, in den Häfen liegen die teuersten Yachten und so mancher Yachtclub gibt sich mondäner, als in Monaco und Nizza. Im Nelson´s Dockyard trifft sich einmal im Jahr die Crème de la Crème zur internationalen Yachtwoche. Was sich hier tummelt, passt überhaupt nicht zum ansonsten ärmlichen Umfeld der Einwohner Antiguas.
Einen Katzensprung weiter kommen wir nach Dominica. Columbus war bei seiner zweiten Reise 1493 von Ihrer Schönheit sehr gefangen. Roseau, die Hauptstadt der kleinen Insel ist ein unappetitliches Nest, das man besser nicht zu genau betrachtet. Wir fahren daher mit einem Katamaran auf das offene Meer hinaus und hoffen auf eine Begegnung mit Walen. Was sich dann vor unseren Augen abspielt ist unbeschreiblich. Zahlreiche Pottwale liegen völlig friedlich und unaufgeregt vor uns im Wasser. Und dann entdecken wir eine ganze Familie mit Jungem. In aller Ruhe säugt die Mutter das Kleine vor unseren Augen- ein bewegender Augenblick. Wenn sich dann zum Abschied vor dem gänzlichen Abtauchen der Pottwal mit einem gigantischen Schlag seiner Schwanzflosse in die Tiefen des Meeres verabschiedet, verfolgen ihn unsere Träume und Gedanken in die dunklen Wogen. Das bis zu 15 Meter lange Tier beflügelte seit je her die Phantasien der Schriftsteller und nicht zuletzt der berühmte Roman „Mobby Dick“ hat ihn unsterblich, aber leider auch zum Monster gemacht. Welch ein Glück für Mensch und Tier, dass man hier einen wunderbaren Weg gefunden hat, den Schutz dieser wunderbaren Tiere mit dem Nutzen eines guten Einkommens für die Einheimischen zu verbinden!
Wir verlassen die Perlenkette der Kleinen Antillen um 160 km und besuchen Barbados. Ausnahmsweise mal nicht von Columbus benamt, präsentiert sich diese, durchaus etwas mondänere Insel, leicht britisch reserviert. Kein Wunder, haben die Briten hier doch sehr lange residiert und den Einwohnern neben einer unheilvollen Freiheit auch den britischen Lebensstil überlassen. Hier reihen sich viele noble Hotels aneinander und die Städte und Dörfer wirken gepflegter als im karibischen Einheitslook. Aber den karibischen Schlendrian hat man hier auch noch nicht ausgemerzt. Wie überall in der Karibik findet man auch hier eine hohe Jugendarbeitslosigkeit von 35 %. Als die Inseln aus den kolonialen Klauen der Europäer entlassen wurden, wussten die Inselbewohner und die vielen ehemaligen Sklaven oft gar nicht so recht, etwas mit ihrer neuen Freiheit anzufangen. Zumeist gingen Armut und Perspektivlosigkeit mit dieser Freiheit einher – oftmals bis heute. An jeder Ecke hängen die jungen Männer gelangweilt herum und trinken den Saft, mit dem sie aufgewachsen sind: Rum. Im Zentrum der Hauptstadt Bridgetown findet man eine elegante Mischung aus britischem Flair und karibischem Stil. Im kleinen Hafen im Zentrum trifft man sich um die schönen Yachten herum- sehen und gesehen werden …
Als Abschluss unserer kleinen Kreuzfahrt besuchen wir die südlichste Insel über dem Wind: Grenada. Wir umrunden die Insel mit einem kleinen Bus und erleben einzigartige Welten, von denen man sich nicht vorstellen kann, dass es sie gibt. Wir starten mit einem Besuch in einer Muskatnussfabrik. 30 % des weltweiten Muskatnussbedarfs wird von Grenada aus gedeckt. Doch in dieser Fabrik, wo die Früchte zunächst getrocknet, dann geknackt und von Hand sortiert werden, scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Die Frauen, die hier arbeiten, tun dies unter schwersten Bedingungen und verdienen unter Akkord ca. 8 USD pro Sack. Einen schaffen sie am Tag und an einem Tag pro Woche arbeiten sie zur Zeit, da die Muskatnussernte wegen großer Hurricane-Schäden noch nicht viel hergibt.
Unglaubliches bietet sich dann in der ältesten Rum-Destillerie der Karibik. Da Zuckerrohr, die Hauptanbaupflanze, als Zuckerlieferant von der Zuckkerrübe abgelöst wurde, lagen riesige Zuckerrohrplantagen in der Karibik brach. Man fand schnell eine Lösung, was man mit dem süßen Saft des Rohres sonst noch anfangen konnte: 1785 entstand auf Granada die erste Rum-Destillerie. Und man glaubt es kaum: Hier wird heute noch mit den gleichen Maschinen und Methoden gearbeitet, wie 1785. Die Gewinnung der Zuckerrohrmelasse, als Vorstufe zum Rum-Brennen, erscheint nach heutigen Hygienevorstellungen sehr unappetitlich. Was am Ende eines verrosteten Rohres nach den Brennblasen heraus kam, hatte dann über 80 % Alkohol und selbst die auf 69 % reduzierte Version des „River-Rum“ aus Grenada heizte einem noch mächtig ein. Eigentlich wundert man sich im Nachhinein, dass man den Rum getrunken hat, obwohl man gesehen hat, wie er gemacht wurde…
Kakao ist eine weitere einträgliche Pflanze, die hier kultiviert wird und sich zu einem wichtigen Exportschlager entwickelt hat. Wie wir erfahren konnten, ist die Firma Lindt ein großer Abnehmer für die Kakaobohnen aus Grenada.
Die Karibischen Inseln präsentieren sich heute zum Teil in einer zerstörerischen, postkolonialen Lethargie, zum Teil in einem Versuchsstadium vom Entwicklungsgebiet zum Touristenziel. Doch auf diesem Sektor muss man noch viel lernen, denn mit der karibischen Gleichgültigkeit, die einem überall entgegentritt, kann man langfristig keinen Staat machen- und das im sprichwörtlichen Sinn!
Andere Inseln haben sich dann als Versteck für die Reichen der Welt etabliert, wo die Stars und Sternchen von Paparazzi unbehelligt ihre freien Tage in Luxus leben können.
Wir sind zurück in der Dominikanischen Republik, wo unsere Kreuzfahrt begann, da endet sie auch. Leider erleben wir auch hier in unserem „5 Sterne“-Resort (Ortskategorie…) oft nur Gleichgültig- und Interesselosigkeit gegenüber dem Gast. Wo man kann, wird der “Touri” für dumm verkauft und das so berühmte karibische „No Problem“ wurde für uns nach einer Woche zum Schimpfwort.
Fotos und Text: Thomas Henne