Diese Überschrift habe ich nicht nur gewählt, weil sie mir gefällt, sondern weil sie mir im Laufe des Gesprächs mit Alfred Preussner eingefallen ist und weil sie speziell auf die Gesprächsinhalte zutrifft. Es ist ein schönes und wahres jiddisches Sprichwort. Aber Sie werden, sehr geehrte Leserschaft, gleich mit Dingen konfrontiert, die Sie insgeheim sogar wissen und leider zu selten realisieren. Aber es geht uns wohl allen so in dieser schnelllebigen Zeit.
Die Herausgeberin des TOP-Magazins, Gaby Reiss, und ich haben die Preussners besucht in ihrem schönen toskanischen Anwesen an der Bergstrasse. Dieser Besuch war uns wichtig – schon deshalb, weil man das Wissen eines Erfahrenen nicht im Verborgenen blühen lassen soll; man muss mithelfen, dass eben dieses Wissen hinausgetragen wird. Und man darf dabei auch hoffen, dass es Früchte bringt.
Das Ehepaar Preussner lebt in einer beneidenswerten Harmonie – beide ergänzen sich in vielerlei Hinsicht. Wir sitzen im wunderschönen Garten unter der Markise und unterhalten uns über Gott und die Welt. Ich muss zugeben, dass ich selbst mich mit zunehmendem Alter besonders gerne mit noch Älteren unterhalte, man kann nur lernen. Aber man muss intensiv zuhören. Wissen Sie, weshalb in jüngster Zeit bereits in Pension gegangene Menschen wieder zurückgeholt werden in ihre alten oder gar noch gehobeneren Positionen? Eindeutig klar: Man will von der Lebenserfahrung partizipieren, sie ist unbezahlbar. Die jungen Studienabgänger, alle unisono mit gegelten Haaren, dunklen Anzügen und chicen Designer-Krawatten haben es offenbar doch nicht so geschafft, wie ursprünglich konzipiert und erwartet. Die Klugheit mag sicher vorhanden sein, aber es fehlt an Erfahrung, an Lebenserfahrung.
Alfred Preussner blickt auf ein langes Leben zurück, Höhen und Tiefen haben ihn stark gemacht. Nicht nur in seinem Charakter, besonders in und mit seinem Wissen. Zwangsläufig hat er im jugendlichen Alter den Nationalsozialismus kennengelernt. Ja, dieser hat ihn auch geprägt, aber nicht negativ. Er hat frühzeitig gewusst, dass derlei Regierungsformen niemals einem Volk gut tun können. Deshalb hat er seinen Lebensweg konträr eben zu diesem System eingestellt. Die Geschichte unseres Landes kennt er von Anbeginn und er weiß, dass nur echte und gelebte Demokratie, verbunden mit freier und sozialer Marktwirtschaft, Freiheit und Erfolg für Jedermann bringen können. Ein langer Weg bis zu diesem Punkt. Alfred Preussner, immerhin heute im zarten Alter von 83 Jahren, steht mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität. Das macht ihn sympathisch. Er ist kein Schwätzer, er weiß sehr genau, von was er redet. Und er war auch gut beraten, sicher auch von seiner Frau Hede, alles Wissen und Denken zu Papier zu bringen. Seine Bücher sind aufsehenerregend.
Aber nochmals zurück zu seinem persönlichen Leben. In der Nachkriegs-Wirtschaftswunderzeit hat er einen anständigen Beruf gelernt: Friseur. Heute natürlich Coiffeur genannt. Er hat seinen Meister gemacht und bis zum heutigen Tag hat er nicht die Bodenhaftung verloren. Aufgrund seines Engagements hat er es in mehrfachen Bildungswegen geschafft, internationale Anerkennung einzuheimsen. Auf meine Frage, ob er politisch engagiert wäre, meinte er ernst: „Soll ich mich einbinden lassen in lebensferne Theorien? Was würde es bringen?“
Recht hat er. Ich erkenne trotzdem seinen gesunden Hang zur Liberalität, lateinisch: liberalitas; das Wort steht für edle Gesinnung, Freigebigkeit, Freiheit und Toleranz. Und diese Attribute kann man in seinem Gesicht lesen.
Sein Einmischen in Dinge, die unserer freiheitlichen Demokratie schaden könnten, brachte ihm zwar Feinde ein, aber mehrheitlich siegte die Vernunft. Seine Einstellung gegenüber Schwachen, seine Hilfsbereitschaft gegenüber Jugendlichen, die er ohne wenn und aber für die Zukunft unseres Landes hält und die er deshalb immer gefördert hat sowie seine herzliche Lebensart hat ihm Zugang geschaffen zu höchsten politischen Führungskreisen und zu Unternehmungen mit Weltgeltung. Aufgrund seiner Reisen rund um die Welt sammelte er im Laufe seines langen Lebens Erfahrungen, die er immer wieder verwerten konnte. Die internationale Anerkennung war im Grunde genommen nichts anderes als die Dankbarkeit der Klugen, die von einem Wissen partizipieren wollten. Unzählige Ehrenämter hatte und hat er noch inne und dass er als Unternehmer und Repräsentant großer Organisationen mit Recht seine Meriten verdient hat, steht außer Zweifel. Wie sonst hätte ihn der Bundespräsident mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet? Zum Thema Auszeichnungen: Er macht deshalb kein großes Gedöns, aber ich wollte mir ein paar seiner hohen Auszeichnungen notieren; es ist sinnlos, sie würden diese ganze Seite hier füllen und recht wäre es Alfred Preussner auch nicht. Er bleibt in dieser Hinsicht lieber im Verborgenen. Was ihn geprägt hat, habe ich bereits geschrieben. Aber es kommen noch weitere Dinge, die zu den Höhen und Tiefen zählen, hinzu: Schwere Krankheiten, die man durchleben muss. Die den absoluten Zusammenhalt eines Ehepaares erfordern. Und dass er in solchen Zeiten trotzdem seinen Mut und seine Zuversicht nicht verloren hat, verdankt er seiner Hede, seiner Frau. Es ist schön zu beobachten, wie zwei nicht mehr ganz junge Menschen miteinander umgehen. Beispiel: Man glaubt es kaum, aber es ist wahr – Alfred Preussner backt gerne Käsekuchen. Die beiden, Alfred und Hede, sie sind gleichermaßen Genießer, wenn es ums Essen geht. Aber ich wollte ihnen ja sagen, was auch Gemeinsamkeit sein kann: Er hatte für meine Verlegerin und für mich einen Super-Käsekuchen gebacken. „Da redet es sich besser“, recht hat er. Ein kleines Fuzzel des Kuchen blieb an seiner Wange hängen, bei wem passiert das nicht, und seine Frau Hede wischte es unauffällig und liebevoll ab. So, ich glaube, Sie wissen, was ich meine.
Seine zwei wichtigsten Bücher hat er sehr sorgfältig aufbereitet und geschrieben. „Die Selbsttäuschung unserer Anspruchsgesellschaft“. Sie sollten es lesen, es ist wertvoll und wird Ihnen Dinge zeigen, die Sie wohl in ihrem Innersten wissen, die aber bislang nicht zu Vorschein kommen konnten. Viele Imponderabilien stehen einfach dagegen. Im Grundsatz sagt Preussner, dass die Errungenschaften unserer freiheitlichen Demokratie durch die Überforderung des Machbaren aufs Spiel gesetzt werden. Der Pump-und-Schulden-Kapitalismus wird unser Land zerstören; die Grundsätze von Ludwig Erhard werden ignoriert. Hochaktuell, nicht wahr? Sein zweites wichtiges Buch „Erfolg ist nicht ohne Schatten“ lohnt sich ebenfalls zu lesen. Sie erleben regelrecht, wie Alfred Preussner sein bislang gelebtes Leben verbindet mit dem, was uns alle berührt. Und berührt hat. Er bietet aber nicht nur Kritik, sondern auch Lösungen, die einleuchten. Nur: Man sollte sie angehen! Ich habe Alfred Preussner gefragt, was er von Thilo Sarrazin und dessen Buch „Deutschland löst sich auf“ hält. Er zögert, schmunzelt und meint: „Ein gutes Buch, Sarrazin hat die Finger in die Wunde der Deutschen gelegt. Denken nicht fast alle so? Und doch wird genörgelt und kritisiert. Aber vielleicht hätte Sarrazin nicht so provokativ sein sollen“. Jawohl, so ist er, der Alfred Preussner, er ist sicher, dass man auch ohne Provokation vieles vermitteln kann. Wir bewundern diesen Mann, der mit falschen Entscheidungen äußerst streng umgehen kann, aber mit Menschen immer mild und herzlich und immer gepaart mit Hoffnung. Auch mit der Hoffnung, dass den Regierenden die Weisheit doch noch in den Kopf kommt. Danke, Ihr zwei Preussners, bleibt uns noch recht lange erhalten und Euch selbst auch. Bleibt gesund und macht einfach weiter so. Alles Gute und danke für das Gespräch. Und für Kaffee und Kuchen. Schon wegen dem Kuchen kommen wir wieder.
Claus Beckenbach