Spektakuläre Ausstellung
in den Reiß-Engelhorn-Museen
Keine andere mittelalterliche Dynastie ist in vergleichbarem Maße zum Gegenstand mythischer Verklärung geworden wie die der Staufer. Prominenteste Vertreter des schwäbisch-elsässischen Herrschergeschlechts sind Friedrich I., besser bekannt als Kaiser Barbarossa und Friedrich II.Wie keine europäischen Kaiser vor Ihnen herrschten sie über ein riesiges Reich von der Nordsee bis nach Sizilien und verbanden somit eine Fülle von verschiedenen Kulturen, Religionen und Bräuchen. Gerade das machte ihre Aufgabe, dieses Reich zusammen zu halten so schwierig und forderte immer wieder mehr oder weniger erfolgreiche Feldzüge gegen widerspenstige Völker und Städte. Dass die Satufer über so viele Generationen und Jahrzehnte hinweg erfolgreich waren, verdankten sie nicht zuletzt ihrem Weitblick und ihrer Begabung die Vorzüge der zahllosen kulturellen Strömungen für sich zu nutzen.
Neue künstlerische Aktivitäten und Ausdrucksformen, eine aufblühende Wissenskultur, höfisches Leben in ungeahnter Pracht und Größe, veränderte Vorstellungen von Herrschaft, erneuerte kirchliche Strukturen, gesellschaftliche Umbrüche, der Beginn städtischen Lebens, sich radikal verändernde wirtschaftliche Bedingungen – die Ära der Staufer war ein Zeitalter der Innovationen und Entwicklungsschübe. So entwickelte sich ein profundes Bildungswesen, ein lebhafter Handel zwischen Nord und Süd sowie eine beispiellose Schrift- und Kunstfertigkeit. In die Zeit der Staufer fällt auch eine Urkunde (in der Ausstellung zu sehen), die Frankfurt die Messerechte zugesteht. Aber auch in der Medizin und Sprachbildung wurden enorme Fortschritte gemacht. Durch den Flickenteppich an verschiedenen Sprachkulturen, die das große Reich im 12. Jahrhundert aufwies, mussten bereits zu dieser Zeit kaiserliche Edikte und schriftliche Befehle in eben diese Sprachen übersetzt werden. Viele solcher eindrucksvollen Zeugen einer frühen multikulturellen Gesellschaft sind in Form von handschriftlichen Büchern, Urkunden und Briefen in Mannheim zu sehen. Im „staufischen Jahrhundert“, zwischen 1138 und 1268, vollzogen sich in ganz Europa weitgreifende Veränderungsund Umschichtungsprozesse, die zu einem gewandelten Weltbild führten. Die staufischen Herrscher hatten hieran maßgeblichen Anteil. Innerhalb ihres weiträumigen Herrschaftsbereiches treten dabei drei Regionen deutlich hervor, in denen dieser Wandel besonders deutlich greifbar ist: der Rhein- Main-Neckar-Raum, Oberitalien und das Königreich Sizilien. Die größte gesellschaftliche Veränderung lag indes in der Entstehung der städtischen Kultur, die an Rhein, Main und Neckar um 1190 fassbar wird.
Voraussetzung dafür war vor allem eine Bevölkerungszunahme in ganz Europa. Als größte Kommune im Stauferreich wuchs Mailand auf 200.000 Einwohner an. Städte dieser Größenordnung konnten nur durch eine wohl durchdachte, schriftliche Verwaltung gesteuert werden.
Eng verbunden mit der Bildung kommunaler Zentren war die wirtschaftliche Entwicklung und der Aufbau einer intakten Geldwirtschaft. In dieser Zeit erfuhr das Münzgeld einen ungeahnten Bedeutungszuwachs. Der Augustalis Kaiser Friedrichs II. gilt als die erste geprägte Goldmünze, die flächendeckend zum Geldhandel eingesetzt wurde. Nun wurde der Wert von Waren, Dienstleistungen und Abgaben in Geld bemessen. Die Entwicklung des modernen Bankwesens folgte. Auf insgesamt drei Stockwerken entfaltet sich dem Ausstellungsbesucher die Welt der Stauferzeit eindrucksvoll. Man wird entführt auf eine spannende Zeitreise in die europäische Vergangenheit. Dabei begegnet er anhand kostbarer Exponate den kulturellen Errungenschaften, die während der staufischen Herrschaft die europäische Gesellschaft prägten.
Zu Beginn des Ausstellungsrundgangs, werden die Staufermythen beleuchtet. Weiter geht es mit der Veranschaulichung des Aufstiegs der Staufer-Familie. Die neun staufischen Herrscher von Konrad III. (1138-1152) bis Konradin (1262-1268) erlebten einen ungeahnten Aufschwung von schwäbischen Herzögen, gewählt zu römischen Königen und erhoben in den Rang römischer Kaiser standen die Staufer an der Spitze der mittelalterlichen Hierarchie und regierten darüber hinaus auch als normannische Könige und Erben des Königreichs Jerusalem bisweilen weite Teile des christlichen Abendlandes.
Die Faszination, die die Staufer in Italien fanden füllt einen weiteren Themenschwerpunkt der Ausstellung. Von Mailand bis Palermo erlebten zahlreiche Staufer weit mehr Lebensjahre in Italien, als in ihrem Stammland. Seit Karl dem Großen sind Romzüge zur Kaiserkrönung nicht aus dem Herrschaftsverständnis mittelalterlicher Herrscher wegzudenken. Daher gewann Italien zunehmend an Bedeutung für die nachfolgenden Herrscher bis hin zu den Staufern. Es wurde Usus, die Regionen, die den Weg nach Rom säumten, zu erobern und so entstand bald das riesige Stauferreich.
Bischofsstädte, Pfalzen und Kastelle waren wichtige materielle und personelle Stützen der hochmittelalterlichen Politik und ihr Stellenwert für die Herrschaftspraxis wurde bereits von den Zeitgenossen erkannt. Regionen an Rhein-Main- Neckar, am Po und das Königreich Sizilien mit Apulien und Kalabrien lassen sich auch als Kernregionen staufischer Herrschaft bezeichnen. Einzelne Orte, wie Mainz und Wimpfen, Mailand oder Palermo wurden zu Schauplätzen glänzender Hoffeste und Hoftage oder zum erbitterten Gegner in kriegerischen Auseinandersetzungen, aber auch zum Hort des Wissens und Zentrum künstlerischer Aktivität. Der Austellungsbesucher „durchwandert“ im Folgenden die drei Regionen von Nord nach Süd. Unter den hier präsentierten architektonischen Kunstschätzen befindet sich auch das eindrucksvolle Ensemble der Brückenfiguren aus Capua. Die Geschichte ausgewählter Orte entfaltet sich dem Besucher in dieser Themeneinheit auf einzigartig erlebbare Weise: Neuartige Filminszenierungen erwecken die mittelalterlichen Städte Worms, Mailand und Palermo anhand detailreicher Rekonstruktionen erstmalig zum Leben.
Die Begegnung mit vergangenen Lebenswelten prägt den weiteren Verlauf des Ausstellungsrundgangs. Als Herrscher über weite Teile Mittel- und Südeuropas regierten die staufischen Könige und Kaiser zweifelsohne eine hohe Bevölkerungszahl und vereinten eine Vielzahl unterschiedlichster Lebensordnungen unter ihrer herrschenden Hand. Die nun folgende Themeneinheit „Gelebte Vielfalt“ hat es sich zum Ziel gesetzt, diese Lebenswelten historisch erfahrbar zu machen und miteinander zu vergleichen. Weiter geht es mit dem umfassenden Themenbereich, der sich den neuen Aspekten des Wandels, des veränderten Herrschaftsverständnises, den neuen kirchlichen Strukturen und neuer Heiligkeitsideale, der aufblühenden Wissenskultur und dem Aufstieg der Universitäten, befasst. Am Ende des Rundgangs – wie auch der staufischen Geschichte – steht Karl von Anjou (1226 – 1285), der der französischen Herrscherdynastie der Kapetinger entstammte. Der Ausstellungsbesucher begegnet einer imposanten Steinskulptur, die Karl von Anjou als Garant für Recht und Frieden darstellt. Karl von Anjou besiegte Manfred von Sizilien, den Sohn Friedrichs II., in der Schlacht bei Benevent und ließ den letzten Staufer in männlicher Abstammung, den erst sechzehnjährigen Konradin, 1268 öffentlich hinrichten. Damit fand die staufische Herrschaft, die im Heiligen Römischen Reich schon zuvor untergegangen war, auch in Sizilien ein Ende.
Die Ausstellung zeigt in faszinierender und anschaulicher Weise den Aufstieg und Untergang eines Herrschergeschlechts, das die Entwicklung des mittelalterlichen Europa prägte. Dabei setzen einige ganz exklusive Exponate besondere Glanzlichter, wie z.B. der „Thronende König“ aus New York, erstmals überhaupt in einer europäischen Ausstellung zu sehen, der Krönungsmantel Kaiser Friedrichs II., die „Weingartener Welfenchronik“ , dem rätselhaften Barbarossakopf aus Cappenberg, in dem die religiös verehrten Partikel hochrangiger Heiliger, wie des Evangelisten Johannes oder des Heiligen Nikolaus bewahrt werden. Auch die Skulpturen vom Brückentor aus Capua zählen zu den Besonderheiten der Ausstellung.
Die Ausstellung wurde von den drei Bundesländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen konzipiert und neben der Curt-Engelhorn-Stiftung für die Reiss- Engelhorn-Museen sind an den Vorbereitungen aus Baden- Württemberg das Institut für Fränkisch-Pfälzische Geschichte und Landeskunde der Universität Heidelberg, aus Rheinland-Pfalz die Generaldirektion Kulturelles Erbe und aus Hessen die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten beteiligt. Die Ministerpräsidenten der Bundesländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen, Stefan Mappus, Kurt Beck und Volker Bouffier, haben der großen Mittelalterausstellung ihre Schirmherrschaft verliehen. Diese länderübergreifende Präsentation einer großen Mittelalterschau ist bislang einmalig in der deutschen Kulturgeschichte.
Die internationalen Leihgaben der auf über 2.300 m2 großen und rund 530 Pretiosen umfassenden Ausstellung kommen unter anderem aus New York, Bologna, Capua, Florenz, Mailand, Neapel, Palermo und Rom, dem Vatikan sowie aus Wien.