Lichtblick für schwer kranke Kinder
„Engagement in der Biotechnologie“
Claus Beckenbach im Gespräch mit Dietmar Hopp
Claus Beckenbach: Herr Hopp, man kennt Sie in Deutschland und darüber hinaus als Mäzen des Fußballs und des Sports. Die Initiative „Anpfiff fürs Leben“ hat gewissermaßen Furore im ganzen Land gemacht. Viele sportbegeisterte Jugendliche, die sonst die Möglichkeiten nicht hätten, werden über z. B. den Fußball zum Lernen und zur Teamarbeit geführt. Darüber hinaus wird den Kindern der Weg aufgezeigt, wie ihr künftiges Berufsleben gestaltet werden kann. Interessen werden geweckt und in die richtige Richtung gelenkt. Das sind beachtliche Investitionen, die viel Geld erfordern. Was bewegt Sie dazu? …
Dietmar Hopp: Es liegt unglaublich viel Potential in unseren Kindern. Leider haben viele keine Möglichkeiten, sich so zu entwickeln, wie es eigentlich sein sollte. Es kann dies aus familiären-finanziellen Gründen sein, aber auch deshalb, weil führende Hände oder Teilnahmslosigkeit der Umgebung eine Rolle spielen. Oftmals geraten Jugendliche dann auf Abwege – das darf nicht sein. Ich sage einen alten Spruch, der aber wahr ist: Kinder sind die Zukunft von uns allen.
Claus Beckenbach: Die eben genannten Investitionen sind bei Ihnen aber nicht beendet; Sie investieren große Summen in biopharmazeutische und biotechnologische Unternehmen. Schwerpunkte der investierten Unternehmen sind Onkologie, Neurologie, Infektiologie und Zelltherapie, um nur einige Positionen zu nennen. Für den Laien ist das alles sehr schwer zu begreifen – Fakt ist, dass geforscht wird. Und forschen heißt immer prüfen, testen, bearbeiten, komplexe Zusammenhänge erkennen. Und manchmal stellt sich heraus, dass der zu erforschende Weg der falsche war. Sind Sie dann enttäuscht?
Dietmar Hopp: Nein, bin ich nicht. Ich weiß sehr wohl, dass es, wie beim Fußball oder beim Sport, immer ein auf und ein ab gibt. Wenn alle Situationen in unserem Leben positiv verlaufen würden, wir würden es vor lauter Glück kaum aushalten. Wenn nicht geforscht werden würde, dann gäbe es überhaupt kein Entdeckertum, es gäbe weder Penicillin noch Antibiotika. Rückschläge sind normal und müssen verkraftet werden, sie müssen aber Ansporn sein für weitere Aktionen, andere Wege zu beschreiten, um zum Ziel zu gelangen.
Claus Beckenbach: Da stimme ich zu – wenn es nicht so wäre, dann hätten Sie nicht die Grundlagen schaffen können für das Entstehen einer Weltfirma, nämlich der SAP. Aber eigentlich wollte ich mit Ihnen über Harnstoffzyklusdefekte sprechen. Wissen Sie, was das ist?
Dietmar Hopp: (Lacht) Wollen Sie mich prüfen? Natürlich weiß ich genau, um was es sich hier handelt. Kinder, die mit dieser schweren Erbkrankheit auf die Welt kommen, sind so gut wie verloren. Es ist für die Eltern ein furchtbarer Zustand zu wissen, dass das Neugeborene nur ganz kurz auf dieser Welt sein wird. Der Ammoniak-Stoffwechsel der Leber funktioniert nicht. Das giftige Ammoniak wird nicht zu Harnstoff verstoffwechselt und ausgeschieden – das führt zu schweren Schädigungen von Nerven und Gehirn bis hin zum Tod. Cytonet, von uns, also von meiner Familie, investiertes Unternehmen, ist auf dem richtigen Weg. Das generelle Ziel ist, eine wirksame Kompensation des Stoffwechseldefektes durch die Infusion gesunder, stoffwechselkompetender humaner Leberzellen in die Leber des kranken Kindes zu erreichen. Eine Leber-Transplantation ist bei einem Neugeborenen so gut wie nicht möglich.
Claus Beckenbach: Beachtlich, dass Sie so gut informiert sind…
Dietmar Hopp: … ich will auch gut informiert sein. Wenn man von solchen Dingen Kenntnis hat, dann bewegt es einem schon, und Information ist alles. Die enge Zusammenarbeit mit den Cytonet-Geschäftsführern erfordert schließlich auch, dass man, wenn man schon über eine Sache spricht, diese auch genau kennt.
Claus Beckenbach: Ich kenne Sie und ich weiß auch, dass es so ist. Darüber hinaus sind sowohl die Köpfe von Cytonet als auch Ihre engen Berater engagierte und hochqualifizierte Menschen, die in Ihrem Sinne handeln und mit erheblichem Wissen ausgestattet sind. Aber um bei Cytonet zu bleiben: Die von Cytonet entwickelte Zelltherapie ist meines Wissens sehr erfolgversprechend. Gibt es bald die effektive Zulassung für dieses Präparat?
Dietmar Hopp: Ich bin sicher, dass die Zulassung der Leberzelltherapie noch dieses Jahr erfolgt. Letztes Jahr wurde das Studienprogramm ausgeweitet auf die USA und Kanada und in Deutschland konnte ein weiteres Studienzentrum, nämlich die Universitäts-Kinderklinik Münster mit Prof. Dr. Thomas Marquard gewonnen werden. Darüber hinaus wird, nach Genehmigung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, eine klinische Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Georg Hoffmann, Chef der Heidelberger Universitäts-Kinderklinik, beginnen. Mit diesen Testen kann man den Schweregrad der Defekte besser vorhersagen und somit die Therapie der Patienten optimieren. Sie sehen, dass wir mit Cytonet nicht nur auf gutem Kurs sind, sondern dass wir auch mit Riesenschritten auf dem Weg ins Ziel sind.
Claus Beckenbach: Wenn ich das richtig einordne, können im Endeffekt Kinder mit dieser angeborenen Stoffwechselkrankheit gerettet werden, und dies sicher weltweit. Ein beachtlicher Fortschritt in der Forschung der zeigt, dass stetes und beharrliches Arbeiten die Grundlage für den Erfolg ist. Können diese Leberzellpräparate eigentlich auch für Erwachsene mit Leberschäden angewendet werden?
Dietmar Hopp: Bei speziellen Leberdefekten ist es vielleicht möglich – jedenfalls wird bereits auch hier geforscht und gearbeitet. Ich bin sicher, dass Leberzellpräparate eine große Zukunft vor sich haben.
Claus Beckenbach: Eigentlich schließt sich hier der Kreis. Ich sehe, wie am Anfang unseres Gespräches, dass auch hier Ihr Engagement für Kinder zum Erfolg führt. Wenn ich an die Aktionen „Anpfiff fürs Leben“ und viele andere, weitere Kinder betreffende Investments denke, dann kann man Sie gut einordnen. Ich glaube, dass Sie mit diesen Aufgaben und deren Erfolge auch persönlich eine große Freude haben?
Dietmar Hopp: Natürlich freue ich mich über jeden Erfolg, über jeden Fortschritt. Aber Sie wissen es selbst, es ist, insgesamt betrachtet, ein steiniger Weg. Oft gibt es Barrieren von Gesetzgebern, die unverständlich sind und die viel Zeit und Geld kosten. Denken Sie an das Gewebegesetz, das ich nicht verstehe und das uns zwingt, gewisse Aktivitäten in Sachen Leberzelltherapie in den USA durchzuführen.
Claus Beckenbach: Herr Hopp, ich danke Ihnen für das interessante Gespräch. Schön wäre es, wenn es mehr Menschen mit Ihrem Engagement und Ihrer Geisteshaltung geben würde.